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Bob Tyrrell: „Stefan besaß die besondere Kombination aus Talent, Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist“

Nur eingefleischte Fans der Formel 1 werden immer dann, wenn Vierfach-Weltmeister Lewis Hamilton und Valtteri Bottas Sonntag für Sonntag an den Start gehen daran denken, dass sie mit den Silberpfeilen aus dem Hause Mercedes-AMG Petronas F1 im Grunde den Autos von Ken Tyrrell zusehen. Auch wenn es heute fast unglaublich klingt: Die Rennwagen, die der britische Holzhändler Ken Tyrrell und sein Rennstall Tyrrell Racing Organisation von 1970 bis 1998 in der Formel 1 eingesetzt hat, die sind quasi die Vorläufer und Ur-Ahnen der aktuellen Fahrzeuge von Hamilton und Bottas. Denn das Team des knorrigen Engländers – Gewinner von einem Fahrer- und zwei Konstrukteurstiteln – wurde vom Tabakkonzern BAT aufgekauft, in British American Racing umbenannt und damit 1999 Nachfolger auf dem Platz der Tyrrell Racing Organisation. 2005 entstand daraus das Honda-Werksteam, das 2009 von Ross Brawn übernommen wurde und unter der Bezeichnung Brawn GP im gleichen Jahr völlig unerwartet mit Jenson Button die Weltmeisterschaft gewann; seit der Saison 2010 als Team Mercedes Grand Prix unterwegs. Ken Tyrrells Sohn Bob war unter seinem in der F1 sehr einflussreichen Vater für das Marketing und die Betreuung der Sponsoren verantwortlich. Der Engländer ist weiterhin Lizenzinhaber und -geber des Markennamens Tyrrell und daher heute noch z.B. für die Modellauto-Branche Ansprechpartner. Bob Tyrrell erinnert sich daher für Stefan Bellof Official an den unvergessenen Rennfahrer aus Gießen.

StefanBellofOfficial: Dank Deines Vaters Ken erhielt Stefan im Jahr 1984 sein erstes festes Cockpit in der Formel 1. Er fuhr alle seine Einsätze in der Königsklasse des Motorsports für das Tyrrell F1 Team. Was hast Du damals über den jungen deutschen Rennfahrer in der Mannschaft gedacht? Kanntest Du Stefan von den Sportwagenrennen zuvor? Wie war Dein Eindruck von Stefan?

Bob Tyrrell: Mein Vater war immer auf der Suche nach frischen Talenten für die Formel 1. Für jeden Fahrer ist das erste Jahr dort ein Lernprozess, aber es wurde innerhalb der Zeit, die er für uns fuhr, sehr schnell klar, dass Stefan die besondere Kombination aus Talent, Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist besaß, die nötig war, um ein großartiger Rennfahrer zu werden.

StefanBellofOfficial: Wie ist der Deal zwischen Stefan und Deinem Vater zustande gekommen? Kannst Du Dich noch an Details aus dieser Zeit erinnern?

Bob Tyrrell: Ich erinnere mich sehr gut daran, dass mein Vater zum ersten Mal von Willy Maurer kontaktiert wurde, für den Stefan in der Formel 2 gefahren war. Willy konnte sich auf die finanzielle Unterstützung von Maredo Steakhouse verlassen. Manfred Holl von Maredo schloss einen Deal mit uns ab und machte sein Unternehmen somit zu einem der Hauptsponsoren von Stefans Tyrrell 012.

StefanBellofOfficial: Beim Grand Prix von Monaco 1984 warst Du live dabei. Es ist als eines der spektakulärsten Rennen der Formel 1 in die Geschichte eingegangen. Die beiden jungen Fahrer Ayrton Senna und Stefan Bellof brachten den späteren Sieger Alain Prost in arge Bedrängnis. Am Ende wurde Stefan Dritter und sicherte sich auf diese Weise seinen ersten und einzigen Podiumplatz in der Formel 1. Lass uns an Deinen Erinnerungen teilhaben!

Bob Tyrrell: Stefan hatte sich in seinem Tyrrell 012 auf dem letzten Platz (20.) in der Startaufstellung qualifiziert. Wir hatten etwa 150 PS weniger als die aufgeladenen Motoren, aber unser Auto war klein und wendig und im Regen bei Monaco waren wir schneller als die Turbos. Wenn die Fans dieses Rennen Revue passieren lassen, dann sagen sie, dass, wenn das Rennen nicht frühzeitig abgebrochen worden wäre, Senna sich Prost geschnappt hätte. Nicht viele Leute haben gemerkt, dass Stefan – der vom 20. auf den 3. Platz vorgefahren war – sie mit seinen Zeiten beide hätte überholen können! Nach dem Rennen wurde Dieter Stappert, der zu dieser Zeit der  Motorsportdirektor bei BMW war, mit den Worten zitiert:

Jeder sagt, wenn das Rennen fünf Runden länger gedauert hätte, hätte Senna gewonnen. Alles, was ich sagen kann ist, wäre das Rennen sieben Runden länger gewesen, dass Bellof Senna hätte einholen können. Da ich aber beide kenne, denke ich, dass es wahrscheinlich ist, dass sie beide für die Führung in Frage gekommen wären.
Dieter Stappert

Bob Tyrrell: Prost, der wusste, dass sein Sieg in Gefahr war, winkte den französischen Offiziellen zu, damit die das Rennen stoppen. Als er schließlich Erfolg damit hatte, war mein Vater ziemlich wütend. Ich glaube nicht, dass das Rennen heute beendet werden würde, wenn die Bedingungen gleich wären.

StefanBellofOfficial: Für die Formel-1-Saison 1986 sollte Stefan zum Formel-1-Team von Enzo Ferrari wechseln. Hast Du im Team darüber gesprochen?

Bob Tyrrell: Ich wusste nichts davon.

StefanBellofOfficial: Am 1. September 1985 starb Stefan bei einem tödlichen Unfall in Spa. Wie hast du die Nachricht von Stefans Tod erhalten? Was ging Dir damals durch den Kopf?

Bob Tyrrell: Ich war zu Hause bei meiner Familie, als ich die Nachricht hörte. Wenn ich mich richtig erinnere, war es eine Woche vor dem Großen Preis von Italien in Monza. Abgesehen von der persönlichen Tragöde schien es so eine unglaubliche Verschwendung zu sein, dass Stefan sein volles Potenzial in der F1 nie würde ausschöpfen können.

StefanBellofOfficial: Eine Frage, die viele Leute stellen, ist die, was geworden wäre, wenn es keinen 1. September 1985 gegeben hätte? Wäre Stefan der erste deutsche Formel-1-Weltmeister geworden?

Bob Tyrrell: Natürlich kennt niemand die definitive Antwort darauf. Aber es gab keinen Zweifel, dass Stefan das Potenzial dazu hatte. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt.

StefanBellofOfficial: Hast Du einen letzten Gedanken für uns und die Formel-1-Fans da draußen sowie natürlich ganz besonders für die Freunde von Stefan Bellof?

Bob Tyrrell: Obwohl die Ereignisse des 1. Septembers 1985 bedeuteten, dass Stefan nie sein volles Potential würde ausschöpfen können, erinnern wir uns an das, was ihn als Person ausmachte und was er in einer so kurzen Zeit in der Formel 1 erreicht hat.

Vielen Dank an Robert „Bob“ Tyrrell für dieses Gespräch.

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